Geschichte der Kolonie

Von 1896 bis heute

Unsere Kolonie gehört vermutlich zu den ältesten Berlins. Dokumente sagen aus, dass sie bereits 1896 erstmals gegründet wurde. Zu jener Zeit war Nord-Neukölln noch nicht bebaut, neben wenigen einzelnen Gebäuden gab es hier nur Obstwiesen und Äcker.

Irgendwann in dieser Zeit sollen dann die Männer der Kolonie viele Male mit Schubkarren zum Görlitzer Bahnhof gelaufen sein. Sie sollen dort Abraum geholt haben, mit dem man das kleine Fließ auf dem Koloniegelände zuschütten konnte, um die Fläche urbar zu machen. Heute noch ist in der Nähe des Ganges mit der Nummer 51 das Grundwasser weniger als einen Meter unter dem Boden zu finden.

Nach dem 2. Weltkrieg war die Kolonie dem Erdboden gleich. Alle Lauben waren platt, auf dem Gelände soll sich eine Tränke für russische Militärpferde befunden haben. Den öfter mal erwähnten geheimen Bunker von Joseph Goebbels gab es hier aber doch eher nicht.

Nach der militärischen ‘Zwischennutzung’ erfolgte 1948 eine Neugründung der Kolonie. Seitdem haben hier in den heute 38 Gärten schätzungsweise 500 Kolonisten mit ihren Familien gesunde Lebensmittel angebaut, sich vom Stadtleben erholt und dem umgebenden Neukölln eine grüne Lunge und einen schönen Anblick geboten.

Wir versuchen, die Geschichte der Kolonie aufzuarbeiten und sammeln daher Anekdoten, Dokumente und Fotos zur Geschichte der Kolonie, der Straße und der Umgebung. Wenn Sie etwas dazu beitragen möchten, schicken Sie eine Email an freiestunde@gmail.com oder kommen Sie einfach in einem der Gärten vorbei und erzählen Sie!

Alte Flurkarten

Karten aus dem Stadtentwicklungsamt Neukölln geben einige Hinweise darauf, wie sich die Kolonie Freie Stunde entwickelte. (Abbildungen zum Vergrößern anklicken)

Auf einer sogenannten Urkarte aus dem Jahr 1887 sieht man die erste Aufteilung des einstigen Acker- und Wiesenlandes für die bauliche Erschließung. Die heutige Kolonie Freie Stunde wurde auf Flurstücken, die 1891/1892 gebildet wurden, angelegt: auf dem Flurstück 242 (i) und auf der unteren Hälfte des Flurstücks 239 (k). Die waagerechten Straßen sind auf dieser Abbildung oben die Pflüger- und unten die Weserstraße; die beiden langen senkrechten sind links die Reuter- und rechts die Pannierstraße.
Die erste kleingärtnerische Nutzung erfolgte vermutlich noch nicht so, wie wir es heute im Sinne des Bundeskleingartengesetzes kennen, sondern in der Form, dass Anwohner auf der ungenutzten Fläche über private Pachtverträge mit dem Grundbesitzer kleine Parzellen absteckten und individuell Obst und Gemüse anbauten. Sofern hier schon Lauben gestanden haben, waren sie sicher von einfacher Bauart. Auch gepflasterte Wege, Zäune oder gar Hecken zwischen den Parzellen dürfte es noch nicht gegeben haben.

Eine Karte aus dem Jahr 1913 zeigt, dass später das obere der beiden Flurstücke durch eine ursprünglich nicht vorgesehene Straße durchkreuzt wurde, die Framstraße. Das Flurstück 242 (i) ist nun aufgeteilt in die Flächen 368 (Pannierstraße 49/50) und 370 (Pannierstraße 51/52), zudem gehört auch die untere Hälfte des Flurstücks 239 (k) mit der Flächenbezeichnung 1279 (Pannierstraße 47/48) zum heutigen Koloniegelände.
Damals ging man stadtplanerisch offenbar noch von einer flächendeckenden Bebauung mit Wohnhäusern aus. Auch die Südseite der Framstraße sollte demgemäß vollständig bebaut werden, wie die Eintragung der Hausnummern Framstraße 2-12 und 14-22 zeigt. Dies ist vermutlich nie ernsthaft in Angriff genommen worden. Stattdessen wurde die Fläche weitgehend durchgängig zur kleingärtnerischen Nutzung durch die ersten Kolonisten der Freien Stunde eingesetzt.

Wie sich die Kolonie zwischen erstem und zweitem Weltkrieg entwickelte, ist bislang nicht genau zu klären. 1945 soll die Fläche wie alles andere dramatisch beschädigt gewesen sein, Lauben standen keine mehr, verschiedene Nutzer teilten sich das Gelände, u.a. sollen russische Soldaten eine Pferdetränke eingerichtet haben. Gleich nach Kriegsende bauten hier Anwohner aber auch wieder Obst und Gemüse an, die dafür vorhandene Koloniefläche soll damals kleiner gewesen sein. Vermutlich gehört auch in diese Phase die Geschichte, dass der morastige Berliner Untergrund zur Verbesserung der gärtnerischen Möglichkeiten mit Trümmerschutt vom Görlitzer Bahnhof gefestigt und dabei um bis zu einem halben Meter angehoben wurde; intakte Mauersteine des Bahnhofsgeländes benutzte man zum Laubenbau. Ein Fischhändler aus der Pannierstraße steuerte Fischkisten zum Decken der Dächer bei, z.T. zäunten ausgediente Bettgestelle die Parzellen ein.
Die Karte aus dem Jahr 1967 zeigt die lt. einer Quelle am 1.10.1948 gebildete, noch immer gültige Aufteilung in Parzellenflächen. Vermutlich erhielt die Kolonie auch erst in diesem Jahr ihren heutigen Namen: Freie Stunde. Die Hausnummern sowohl für die Pannierstraße als auch für die Framstraße sind nach wie vor eingetragen, aber die Flächenbezeichnungen haben sich verändert (283-285). Sogar die drei Stichwege sind nun in ihrem genauen Verlauf eingetragen, nämlich der südliche etwas kürzer als die anderen beiden.

Wir sind für alle Hinweise, Fotos oder Geschichten dankbar, die die Geschichte der Kolonie weiter klären könnten. Falls Sie etwas beizutragen haben, kontaktieren Sie uns bitte unter freiestunde@gmail.com

Herzlichen Dank an den FB Vermessung und Geoinformation des Stadtentwicklungsamtes Neukölln, der uns die Karten freundlicherweise zur Verfügung stellte.